Zum Schutz der Beschäftigten

ArbeitszeitPersonalrat unterbricht Begleitung des Arbeitszeitmodells

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nach sorgfältiger Abwägung hat der Personalrat auf seiner Sitzung vom 18.03.2008 beschlossen, seine Beteiligung am Arbeitszeitmodell einzustellen.
Wie Sie dem anhängenden Schreiben entnehmen können, gibt es eine Vielzahl guter Argumente. Grundlage jedes Arbeitszeitmodells, ist die weitestgehende Akzeptanz innerhalb der Belegschaft. Und diese Akzeptanz suchten wir vergebens.


Regulärer Weg wäre nun die erneute Anrufung der Einigungsstelle mit dem Ziel, die strittigen Punkte einer Klärung zuzuführen. Bis zu diesem Zeitpunkt müsste die weitere Umsetzung der Arbeitszeiten ruhen. Sollten Fragen offen geblieben sein, melden Sie sich bitte unter der oben angegebene –Mail-Anschrift oder rufen Sie die Nummer 3805 an.

Mit kollegialen Grüßen
– Alexandra Willer –

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Einstellung der Zusammenarbeit im Arbeitszeitmodell Pflegedienst

Sehr geehrter Herr Keil,

in seiner Sitzung vom 18.03.2008 hat der Personalrat beschlossen, das Arbeitszeitmodell nicht länger begleiten zu wollen und die Einigungsstelle anzurufen.

Aus Sicht des Personalrates ist dieser Schritt zum Schutze der Beschäftigten dringend geboten. Zu unübersichtlich und zahlreich sind die immer wieder neu auftauchenden Problemfelder, zu gering die Akzeptanz innerhalb der betroffenen Belegschaft.

Zur Begründung lassen Sie mich bitte exemplarisch nachfolgendes ausführen:

1. Dienstplangestaltung
a.) Die langen Frühdienste (F01 von 6.00 bis 15.30 Uhr) sollten in Übereinstimmung mit den Vertretern der Dienststelle, angesichts der großen Belastung im arbeitsintensivsten Dienst am Tage, auf vier in Folge begrenzt werden. Selbst in der regulären Vorplanung gelingt es einigen Stationsleitungen nicht, diese Vereinbarung zur Einhaltung des Gesundheitsschutzes zu gewährleisten. Wie wir aus vielen Schreiben und persönlichen Kontakten wissen, gehen fast alle Beschäftigten nach Absolvierung dieses Dienstes „kaputt und ausgelaugt“ nach Hause. Dort, nach quälender Fahrt durch den Berufsverkehr oft erst viel später angekommen, klagen viele Kolleginnen und Kollegen über „Reizbarkeit und Unausgeglichenheit“. Nicht EINE befragte Person fand sich, die sich diesen Dienst auf Dauer vorstellen könnte.

b.) Die im Spätdienst verkürzten Dienste, die meisten nur zwischen 4:30 Std. und 6:30 Std. lang, führen bei überwiegender Planung in diesen Diensten zur Unterschreitung der 4-wöchentlichen Sollarbeitszeit von 154 Std. So kommt es nicht selten vor, dass bei einer angenommenen 5 Tage Woche mit regulär acht freien Tagen, Beschäftigte nur vier Tage frei bekommen und im so genannten „Minus“ landen. Dies bedeutet konkret, dass Beschäftigte häufiger im Uniklinikum verbringen müssen und dennoch nicht ihre Sollarbeitsstunden erreichen. Zudem bedeutet dies für einzelne Beschäftigte auch, dass Sie häufiger als bislang die Fahrt zum Uniklinikum hin und zurück bewältigen müssen. Bei reduzierter Pendlerpauschale und steigenden Spritpreisen für Viele auch ein finanzielles Problem.

c.) Aus nicht nachvollziehbaren Gründen, finden sich bei einigen Beschäftigten so genannte „zerstückelte Wochenenden“ oder eine Anhäufung von bis zu fünf Wochenenddiensten hintereinander. Aus Erkenntnissen der Arbeitswissenschaft zum Gesundheitsschutz von Beschäftigten wissen wir, dass Wochenenden einen besonders hohen Stellenwert im Rahmen von Regeneration und zur Pflege von sozialen Kontakten einnehmen. Obwohl anzunehmen ist, und es erkennbare Ansätze gibt, dass dies durch Kommunikation mit den Leitungen für die Zukunft vermieden werden kann, ist es doch nachdrückliches Indiz für mangelnde Gespräche oder erhöhten Schulungsbedarf für Leitungspersonal im Vorfeld des Arbeitszeitmodells.

d.) Zulagengewährung
Durch ungleichmäßige Verteilung von Schichten kommt es für einige Beschäftigte zum Verlust der Schicht- oder Wechselschichtzuschläge. Vor dem Hintergrund von Reallohnverlusten und steigender Inflationsrate ein ernst zu nehmendes Manko.

2. Planungsrahmen
Der im letzten Gespräch der Begleitgruppe vom 13.03. als Übergangslösung vorgeschlagene Rahmen zur Über- oder Unterplanung von -25/+60 Stunden ist inakzeptabel. Auch hier finden sich Beschäftigte, die durch besonderen Aktionismus von Stationsleitungen bereits im ersten Erprobungsmonat ein Minus von 40 Stunden aufzuweisen haben, welches sich in besonders schweren Fällen bis auf ein laufendes Minus von 73 Std. erhöht hat.
Zudem wurde im Oktober 2007 eine „Nullung“ der Stunden im SOLL und nicht im IST vorgenommen, so dass eine Vielzahl von Beschäftigten eine noch größere Menge an Überstunden mit sich herumschleppt. Dies führt in der Praxis zu erheblichen Problemen im Zuge des Arbeitszeitmodells. Wären die Stunden korrekt ausgeglichen worden, gäbe es nicht die Notwendigkeit den Planungsrahmen im Plusbereich auf 60 Stunden anzusetzen.

3. Arbeitsabläufe als Grundlage für das Arbeitszeitmodell
Die durch Orientierung an anderen Berufsgruppen entwickelten Arbeitsabläufe sind äußerst kurzlebig und daher nicht als Grundlage geeignet. Wie wir wissen, soll es bspw. nach Ärztebeschwerden in der Urologie zu einer Ausweitung von Tätigkeiten zu ungunsten des Pflegepersonals kommen. Hinzu kommt, dass noch während der Erprobungszeit, vor Beginn der Evaluation und ohne Rücksprache mit dem Personalrat, Umstellungen im Verlauf der Arbeitszeiten vorgenommen werden.

4. Sozialgespräche
Die vor dem Hintergrund der Einführung von flexiblen Arbeitszeiten vorgesehenen Gespräche mit Teilzeitkräften und Dauernachtwachen werden häufig ohne Einbeziehung des Personalrates geführt. So liegen uns Berichte vor, wonach sich Beschäftigte einem zunehmenden Druck ausgesetzt sahen.

5. Grundlagen von Arbeitszeitmodellen
Unbestritten ist, hierzu finden sich unzählige Literaturhinweise und Empfehlungen von anerkannten Arbeitszeitexperten, dass die Akzeptanz der Beschäftigten grundlegende Notwendigkeit zum Eintritt in ein Arbeitszeitmodell ist. Unbegreiflich ist deshalb, warum die Pflegedirektion oder die Projektleitung nicht die Konsequenzen aus den bereits umgesetzten Pilotstationen gezogen haben? Lediglich eine kleine Stationseinheit hat hier nach Abschluss der Erprobungsphase den langen Frühdienst beibehalten. Warum also hält man an diesem fest?

6. Mangelhafte Gefährdungsanalysen
Die im Vorfeld erstellten und zwingend notwendigen Gefährdungsanalysen erfüllen aus unserer Sicht nicht die Anforderungen.
So wird in diesen keinesfalls ersichtlich, wo und wie sich psychische Faktoren abbilden. Wie fühlt sich eine Beschäftigte, die alleine auf Station Dienst verrichten muss und sich mit Unsicherheiten und Ängsten bezüglich möglicher Notfallsituationen oder des „alleine Wachens“ in der Nacht konfrontiert sieht? Können solche Bedingungen krank machen und wenn JA, wie sind sie zu vermeiden?

7. Kommunikationsstörungen
Fast alle Beschäftigten versichern glaubhaft, dass sie sich nicht einbezogen oder unzureichend informiert fühlen. Fragen tauchen oft erst in der Arbeitsgruppe zur Verabschiedung der Zeiten auf oder sollen gar dort verbindlich beantwortet werden. Eine Rücksprache mit den Kolleginnen und Kollegen auf Station ist so nicht mehr möglich. Indiz dafür, dass die Kommunikation in den Bereich hinein zuvor nicht suffizient gewesen zu sein scheint.

8. Begleitgruppe
Immer wieder hat der Personalrat auf die für ihn kritischen Punkte verwiesen und die Akzeptanz der Beschäftigten zum Maßstab gemacht. Nach einigen deutlichen Anmerkungen zur Vermittlung von Inhalten in den Arbeitsgruppen und zur rechtzeitigen Übermittlung von Protokollen und Einladungen, gestaltete sich die Zusammenarbeit annehmbar. Dies kompensiert jedoch nicht die grundlegenden Defizite im Arbeitszeitmodell selbst.

Fazit:
Insgesamt wird ersichtlich, dass die Fülle an ungeklärten und neu hinzukommenden Fragen (notwendige Diskussion über Arbeitszeitkonten) die Begleitung unübersichtlich und nicht fruchtbar erscheinen lassen. Das Arbeitszeitmodell erinnert an Flickschusterei, welches von nicht tragbaren und geeinten Grundlagen ausgehend, immer neue Fragen aufwirft. Gesundheitliche und finanzielle Nachteile für die Kolleginnen und Kollegen inklusive.

Auch ist ein Vorteil für Patienten aus unserer Sicht nicht erkennbar.
Ausgelaugtes, unmotiviertes oder gar krankes Personal kann keine adäquate Patientenversorgung gewährleisten.
Es macht aus unserer Sicht keinen Sinn, an einem Rohbau festhalten zu wollen, an welchem man Wasser im Fundament und Termiten im Dachgebälk festgestellt hat.

Abriss und Neuaufbau wäre eine mögliche Alternative.

mit freundlichen Grüssen
– Vorsitzende –